Mittwoch, 30. Dezember 2020

Sprache und Sein - Kübra Gümüşay


Klappentext:

Dieses Buch folgt einer Sehnsucht: nach einer Sprache, die Menschen nicht auf Kategorien reduziert. Nach einem Sprechen, das sie in ihrem Facettenreichtum existieren lässt. Nach wirklich gemeinschaftlichem Denken in einer sich polarisierenden Welt.

Kübra Gümüşay setzt sich seit langem für Gleichberechtigung und Diskurse auf Augenhöhe ein. In ihrem ersten Buch geht sie der Frage nach, wie Sprache unser Denken prägt und unsere Politik bestimmt. Sie zeigt, wie Menschen als Individuen unsichtbar werden, wenn sie immer als Teil einer Gruppe gesehen werden – und sich nur als solche äußern dürfen.

Doch wie können Menschen wirklich als Menschen sprechen? Und wie können wir alle – in einer Zeit der immer härteren, hasserfüllten Diskurse – anders miteinander kommunizieren?


Meine Meinung zum Buch:

In ihrem Buch geht Kübra Gümüşay der Frage nach, wie Sprache unser Denken und Handeln formt, wie Sprache sich auf die Wahrnehmung, ja selbst auf unser Sein, auswirkt.
Was sich zunächst nach theoretischer und trockener Kost anhört, wird von Gümüşay bildreich, verständlich und mit vielen anschaulichen Beispielen aufbereitet. Hierbei nimmt Gümüşay den Leser mit auf eine Reise und geht auf viele gesellschaftlich relevante und hochaktuelle Themen wie Sprache und Macht, Diskriminierung sowie Rassismus und Rechtsextremismus ein. Insbesondere wird im Zentrum dieses Buches die Erfahrungen von Personen aufgezeigt, die nicht als Individuen, sondern als Kollektiv wahrgenommen werden. Gümüşay macht deutlich, was es bedeutet in Stereotypen und Vorurteilen zu denken und zu sprechen, und welche Auswirkungen dies für Betroffene hat. Dabei schöpft Gümüşay nicht nur aus persönlichen Erfahrungen, sondern bedient sich aus einer Vielzahl von gut recherchierten Quellen. Letztendlich plädiert Gümüşay für eine offene Sprache, die Vielfältigkeit und Individualität zugesteht und sich von eingrenzenden Kategorien und Stereotypen löst.

Dieses kluge Buch hat mir nicht nur deswegen so unglaublich gut gefallen, weil es ein komplexes und hochgradig aktuelles Themaspektrum dem durchschnittlichen Leser in verständlicher Sprache näherbringt, sondern auch, weil dieses Werk eine persönliche Note aufweist. Auf eindringliche und berührende Weise wird dem Leser nicht nur die Macht der Worte ins Bewusstsein gerufen, sondern ebenso ein Perspektivwechsel vollzogen und dabei zu Denkanstößen angeregt. Definitiv ein Buch, was sich mehrmals zu lesen lohnt und eine Autorin, von der hoffentlich noch weitere Bücher folgen werden.

Fazit: Eine absolute und dringende Leseempfehlung von mir. Ein grandioses Buch, welches wichtige Themen in einer bildhaften und überzeugenden Sprache darlegt!

5 von 5 Sterne!



Möchtest du mehr zu diesem Buch wissen? Weitere Rezensionen zu Sprache und Sein findest du bei Ink of Books und Buzzaldrins Bücher

Zur Webseite der Autorin Kübra Gümüşay geht es hier lang.

Sonntag, 20. Dezember 2020

Der Schneesturm - Vladimir Sorokin

 


Worum geht es?

Im ländlichen Russland herrscht tiefster Winter, es fällt meterweise Schnee. Doch entgegen aller Witterungen muss der Landarzt Dr. Garin so schnell wie möglich in den Ort Dolgoje gelangen, um die Menschen dort gegen eine seltsame Krankheit zu impfen, die die Infizierten zu Zombies verwandelt. Keine einzige Minute darf verschwendet werden. Doch ein Schneesturm tobt, Garin ist an einem Örtchen gestrandet und seine Pferde sind bereits erschöpft. Die Pferdestation hat seine Zugtiere schon alle verliehen und dem Landarzt bleibt keine andere Wahl als den Brotkutscher Kosma zu bitten, ihn nach Dolgoje zu bringen. Und so machen sich die beiden mit einem Schneemobil, welches von winzigen Pferden gezogen werden, auf eine abenteuerliche Reise – und diese hat allerhand Seltsames und Überraschendes für sie zu bieten. 


Meine Meinung zum Buch:

Was für ein abgedrehtes und verrücktes Buch! Hier sollte man sich definitiv nicht vom Cover täuschen lassen und auch nicht vom Beginn der Geschichte, was einer Erzählung aus dem 19. Jahrhundert gleicht. Der Landarzt Garin sucht nach einer Fahrmöglichkeit nach Dolgoje, dort herrscht eine Epidemie, ein Schneesturm kommt hinzu– dies zusammen kreiert eine ernsthafte Situation, sodass ich schon ganz gespannt auf den Fortgang der Geschichte war. 

Doch als die Fahrt der beiden Hauptprotagonisten Garin und Kosmo beginnt, verwirrt mich dieses Buch mehr und mehr. Winzige Pferde, die ein Schneemobil ziehen, eine Müllerin, die ihren kleinen Ehemann auf ihren Busen setzt und ein toter Riese, der etwas unglücklich nach einem Suff mitten auf der Fahrspur verstorben ist. Nicht das, was ich zunächst erwartet habe. 

Dieses Buch steckt voller Märchen-, und Groteskelemente und hat darüber hinaus für den Leser etliche Überraschungen auf Lager. Es ist ein Roman, der viel zu bieten hat. Von lustigen bis hin zu absolut grotesken Szenen, über philosophischen Passagen hin zu traurigen und leisen Worten. Es ist kein Buch für jedermann - man muss sich auf diese abgedrehte Geschichte einlassen können, die nebenbei in vollem Ernst erzählt wird, sodass man sich fragt, ob der Autor hier einen auf den Arm nehmen will. Dieses Buch hat mich dennoch und gerade deswegen bestens unterhalten und bei der einen oder anderen Szene konnte ich mir einige Lacher nicht verkneifen. Dennoch bin ich mir sicher, dass die Groteske und die Komik nicht nur dem Unterhaltungszweck dienen, sondern hier mehrere Interpretationsebenen aufgemacht werden. 

Wer für die weihnachtliche Zeit mal ein etwas anderes Buch sucht und in diese verrückte Geschichte eintauchen will, kann sich gern in den „Schneesturm“ begeben. Mir hat das Buch definitiv gefallen. 

Fazit: Ein außergewöhnliches Buch über eine verrückte und bizarre Schlittenfahrt durch einen Schneesturm in winterlichem Russland.


4 von 5 Sternen




Quelle: KiWi-Verlag


Sonntag, 13. Dezember 2020

Das Mädchen und der Winterkönig - Katherine Arden


Worum geht es?

Nachdem Wasja ihr Dorf retten konnte, muss sie sich eingestehen, dass es für sie zu gefährlich ist dort zu bleiben. Sie beschließt mit Solowej in den kalten, dunklen Wald zu reiten und nach ihrer Bestimmung zu suchen, nach Freiheit, nach Abenteuer. Ihr Weg führt sie schließlich nach Moskau an den Hof des Großfürsten. Hier trifft sie nicht nur ihren Bruder Sascha, sondern auch ihre Schwester Olga wieder. Allerdings hat Wasja ein Geheimnis, welches sie gut hüten muss. Und dann ist da auch noch Morosko, der immer wieder ihren Weg kreuzt.


Meine Meinung zum Buch

Bereits das erste Band „Der Bär und die Nachtigall“ konnte mich mit seiner winterlichen, märchenhaften Atmosphäre verzaubern. Aber auch der zweite Teil der Winternacht-Trilogie hat mich wieder mitreißen und begeistern können. Katherine Arden erzählt auch in diesem Band auf ihre wundervolle, atmosphärische Art und Weise die Geschichte von Wasja, dem Mädchen, welches sich so überhaupt nicht in die damaligen Konventionen der Gesellschaft hineinzwängen will. Allerdings ist in diesem Band eine Veränderung zum ersten Teil spürbar. Während im ersten Band der Schwerpunkt vermehrt auf dem Märchenhaften und auch Schauerlichen gelegen war, wird im zweiten Band auch noch eine politische Komponente deutlich. Hier stehen verstärkt Intrigen und Geheimisse im Vordergrund. Aber auch Wasja, welche nun älter wird und immer deutlicher merkt, dass ihr Handeln Verantwortung nach sich zieht, entwickelt sich weiter. Sie muss lernen, mit ihren unterschiedlichen aufkommenden Empfindungen und Wünschen zurechtzukommen. Trotz dieser Verlagerung finden sich immer wieder märchenhafte, fantastische und schauerliche Elemente wieder, dennoch nicht mehr so stark ausgeprägt, wie im ersten Teil. Nichtsdestotrotz konnte mich auch dieser Band bestens unterhalten. Und da noch nicht alle Geheimnisse gelüftet worden sind, freue ich mich umso mehr auf den letzten Teil dieser Trilogie.

Fazit: Eine gelungene Fortsetzung des erstens Bandes, der zwar einige andere Schwerpunkte wählt, allerdings dennoch für spannende, winterliche und schöne Lesestunden sorgt. Ein perfektes Winterbuch in der Vorweihnachtszeit!


5 von 5 Sterne



Info:
Meine Rezension zu Band 1 "Das Mädchen und die Nachtigall" findest du hier

Quelle: randomhouse.de 

Sonntag, 6. Dezember 2020

Hexenwerk - Tanja Hanika



Worum geht es? 
Als die Sommerferien in Schwarzbach anfingen, dachten sich die Freunde Simon und Linus nichts Böses dabei, als sie Steinchen gegen das Fenster der unheimlichen und seltsamen alten Frauen werfen. Was zunächst als Kinderspaß mit Gruselfaktor angefangen hat, entwickelt sich zum realen Horror, denn die beiden Jungs und ihre Freunde finden heraus, dass die drei alten Frauen in Wirklichkeit Hexen sind. Seltsam ist auch, dass aus Schwarzbach immer wieder Kinder verschwinden und nun erneut ein Mädchen vermisst wird. Da die Jungs glauben, dass die drei Frauen dahinterstecken, gehen sie auf Spurensuche. Und was sie dabei entdecken, hätten sie sich in ihren schlimmsten Albträumen nicht ausmalen können. 

Meine Meinung zum Buch
Die Geschichte um die Hexen von Schwarzbach und den Kindern entwickelt sich zunächst langsam und harmlos, doch schnell wird klar, dass mit den alten Damen nicht gut Kirschen essen ist. Am Anfang hat sich das Buch zunächst ein wenig nach der Serie „Stranger Things“ angefühlt, da auch hier eine Gruppe von Kindern gegen schier übermächtige Wesen ankämpfen. Allerdings ist dieses Buch hier anders, denn es behandelt die Hexenthematik und insbesondere die mittelalterliche Vorstellung des Hexentums. Enorm spannend finde ich hier den Perspektivwechsel, denn es gibt einige Passagen, die die Sicht der Hexen beschreiben und diese gewähren wirklich interessante Einblicke. Auch zeigt die Autorin ein gutes Gespür für Details und Nervenkitzel, sodass sich der Leser auf einige ziemlich schaurige, eklige und brutale Szenen einstellen kann. Insbesondere zum Ende hin hat mich das Buch richtig mitgerissen, nicht zuletzt, weil es noch einige Überraschungen bereithält. Allerdings muss ich leider auch einige Abzüge erwähnen. Neben ein paar Punkten, die mir nicht ganz nachvollziehbar erscheinen, hält sich auch die sprachliche Varianz in diesem Buch etwas in Grenzen, sodass ich häufig über Wiederholungen gestolpert bin, die mir störend aufgefallen sind. Auch scheint mir die Ausdrucksweise der Kinder häufig nicht ihrem Alter entsprechend zu sein. Darüber hinaus hätte ich mir gern mehr Tiefe und Charakterbuilding bei den Figuren gewünscht, um die Bindung zu den einzelnen Charakteren mehr vertiefen zu können. Demnach hätte nach meinem Geschmack das Buch ruhig einige Seiten länger sein können, um sowohl der Handlung als auch den Figuren noch mehr Tiefgang zu verleihen. Trotz dieser Abzüge konnte mich das Buch dennoch gut unterhalten. 

Fazit: Ein kurzweiliger, knackiger Schauerroman mit Hexenthematik, der gute Szenen mit Gänsehautfeeling bereithält, allerdings auch einige Schwachpunkte zu verzeichnen hat.


3,5 von 5 Sterne






Quelle: Amazon